Nachhaltigkeit im Schweizer E-Commerce

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Im Oktober 2021 fand die letzte Connecta Bern online statt. Sechs Jahre lang informierte und inspirierte der jährliche Anlass von Post und PostFinance über die verschiedensten Facetten der Digitalisierung mit zahlreichen Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland und hunderten von Gästen. Gemeinsam mit der Carpathia AG wird es dieses Jahr einen neuen Anlass geben – die Score! Swiss Conference for Retail and E-Commerce. Zum ersten Mal durchgeführt wird sie am Mittwoch, den 1. Juni 2022 in der StageOne in Zürich-Oerlikon.

Bild: Thomas Lang und Malte Polzin an der Connect Digital Commerce 2020

Nachhaltigkeitsstudie

In einem Connecta Talk im 2021 interviewte die Unternehmerin Aileen Zumstein die beiden E-Commerce Experten Michael Nussbaumer und Dr. Thomas Wozniak von der Hochschule Luzern (HSLU) zum Thema «Nachhaltigkeit im Schweizer E-Commerce», welches laut einer Onlinehändlerbefragung auch im Schweizer Onlinehandel immer mehr ein Thema ist. Den Ergebnissen aus dem Vorjahr zufolge war die Nachhaltigkeit der Produkte für mehr als die Hälfte der befragten Shops von hoher Bedeutung, während es bei der Nachhaltigkeit von Verpackung und Versand noch Verbesserungspotenzial gab.

Die Daten aus der Nachhaltigkeitsstudie wurden von März bis Juni 2021 in einer quantitativen Onlinebefragung erhoben. Es nahmen
248 Onlinehändler an der Befragung teil. In Bezug auf Nachhaltigkeit wurden ökologische (z. B. ressourcen-schonende Produktion)
und soziale (z. B. faire Arbeitsbedingungen) Aspekte in verschiedenen Phasen entlang der Wertschöpfungskette von Onlineshops erhoben, z. B. bei der Auswahl des Sortiments, beim Versand oder bei der Zusammenarbeit mit Partnern.

Im Anschluss an die Videoaufzeichnung enthält dieser Beitrag auch ein Transkript des sehr aufschlussreichen Interviews.

Credits

  • Hauptbeitragsbild von Mert Guller
  • Bild Thomas Lang und Malte Polzin von Boris Baldinger

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Transkript

Aileen Zumstein: Herzlich willkommen bei Connecta Talk der Schweizerischen Post und vom PostFinance. Mein Name ist Ayleen Zumstein und ich begrüsse Dr. Thomas Wozniak – er ist Forschungskoordinator und Dozent am Institut für Marketing und Kommunikation der Hochschule Luzern und Michael Nussbaumer, er ist Head of CAS Onlineshop and Sales Management an der Hochschule Luzern – zu einem Gespräch zum Thema Nachhaltigkeit im Schweizer Onlinehandel Update 20/21.

Nachhaltigkeit ist dem Schweizer Onlinehandel ein sehr wichtiges Thema, wie auch die Umfrageergebnisse der Online-Händler Befragung vom letzten Jahr gezeigt haben. Den Ergebnissen zufolge ist für mehr als die Hälfte der befragten Shops die Nachhaltigkeit von Produkten von grosser Bedeutung. Während die Nachhaltigkeit von Verpackungen und auch vom Versand ein bisschen hinterherhinkt, da besteht noch Verbesserungspotenzial. Michael und Thomas, wie sehen nun die Umfrageergebnisse 20/21 aus? Wie steht es um die Nachhaltigkeit im Schweizer Online-Handel?

Thomas Wozniak: Nun, Nachhaltigkeit ist ein grosses Thema. Wir haben im letzten Jahr viele verschiedene Bereiche angeschaut, zum Beispiel Produkte, Verpackungen, Versand, aber auch Retouren. Im Bereich Produkte kann man sagen, dass die Ergebnisse relativ stabil sind, wenn es zum Beispiel um die Gewichtung von ökologischen oder sozialen Aspekten bei der Sortimentsgestaltung geht. Es gibt aber im Bereich Verpackung und Versand einzelne Sachen, die sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert haben.

Das kann man auf jeden Fall sagen. Was man auch sagen kann, ist, dass Nachhaltigkeit im Schweizer Onlinehandel relevant – nicht nur angekommen – ist, das spielt eine Rolle. Es ist aber nicht bei allen Onlinehändler ganz oben auf der Agenda oder Top-Priorität. Das kann man auch verstehen. Vielleicht was aber auch der Fall ist, dass bei mehr als der Hälfte der Online-Händler in der Schweiz, die an der Befragung teilgenommen haben, Nachhaltigkeit als Chance zur Wettbewerbsfähigkeit wahrgenommen wird und auch als Kundenbedürfnis.

Michael Nussbaumer: Dazu kommt sicher, dass nicht das Thema Nachhaltigkeit in aller Munde ist. Also Online-Shop Betreiber beschäftigen sich mehr damit, dann die Anbieter von Logistik-Lösungen, Verpackungs-Lösungen. Auch die Hersteller beschäftigen sich mehr mit Optionen, wie kann ich Produkte nachhaltiger herstellen?

Die Konsumenten hören es, lesen es in den Medien, fragen mehr nach, interessieren sich mehr dafür. Und ich höre es auch bei meinen Studenten. Es ist ein Thema, das die Leute beschäftigt. Man sieht auch Online-Shops, die sogar ganze Geschäftsmodelle darauf aufbauen. Und das erhöht natürlich die Nachfrage auf Kundenseite, aber auch die Angebote auf Shopbetreiber-Seite.

Aileen Zumstein: Wo setzen die Schweizer Online-Händler Prioritäten? Welche Trends zeichnen sich ab?

Thomas Wozniak: Also was die Trends angeht, da können wir im Vergleich zum Vorjahr klar feststellen, dass im Bereich Verpackung und Versand konkreter bei der Verpackung die Plastikfreiheit zugenommen hat sozusagen. Im letzten Jahr haben drei von zehn Onlinehändler angegeben, dass sie Verpackungen ohne Plastik einsetzen oder Verpackungen ohne Plastik haben. Das sind jetzt schon vier von zehn. Das ist ein recht markanter Anstieg, also mehr plastikfreie Umverpackung und auch Füllmaterial. Das ist eine Sache.

Und bei der Logistik zum Endkunden hin Versandoptionen. Da hat das Angebot eines klimaneutralen Versands sehr stark zugenommen. Also im letzten Jahr ca. 15 Prozent, in diesem Jahr sind es 26 Prozent, die das anbieten. Das ist nicht ganz eine Verdopplung, aber schon eine sehr markante markante Zunahme.

Aileen Zumstein: Du hast ein paar schöne Beispiele jetzt genannt, Verbesserung im Vergleich zum letzten Jahr. Wo hapert es sonst noch in der Umsetzung und welche Potenziale gibt es noch?

Thomas Wozniak: Die Händler geben zu einem grossen Anteil an, dass bei dem Sortiment auf Nachhaltigkeits-Aspekte geschaut wird und die Hälfte der Händler gibt auch an, dass sie Nachhaltigkeits-Aspekte, dass sie Informationen zu Nachhaltigkeits-Aspekten in dem Produktbeschrieben, dass sie in den vielen kleinteiligen Texten diese Nachhaltigkeit-Aspekte integrieren. Wir glauben, dass das gut ist. Das macht die Hälfte der Händler. Was aber ein bisschen verpasst wird, ist schon eher in der Customer Journey auf nachhaltige Produkte hinzuweisen.

Zum Beispiel, wenn du eine eine Produktauswahl hast verschiedene Produkte nebeneinander, dass bestimmte Produkte vielleicht einen grünen Punkt oder ein Label haben, also explizit ausgewiesen sind als nachhaltiges Produkt, das machen nicht so viele. Und auch Auswahlfilter für nachhaltige Produkte. Dass es spezielle Filter gibt für bestimmte Nachhaltigkeits-Aspekte. Das machen auch sehr, sehr wenige, wie auch im letzten Jahr noch. Und da denken wir, dass es da auf jeden Fall Potenzial gibt.

Aileen Zumstein: Michael du hast vorher gesagt Nachhaltigkeit ist in aller Munde, einer mag das Wort schon gar nicht mehr hören. Inwieweit und auf welchen Kanälen sollten Online-Händler auf diese Nachhaltigkeits-Aspekte, eben Label oder ähnliches aufmerksam machen?

Michael Nussbaumer: Das ist eine sehr gute Frage. Thomas hat es schon angeschnitten. Customer Journey, also ich muss zuerst mal meinen Kunden verstehen. Was hat er für Bedürfnisse rund um Nachhaltigkeit? Wann hat er die Bedürfnisse? Also ich muss verstehen wann im Kaufprozess interessiert ihn was. Als Beispiel: Suchen sie nach nachhaltigen Produkten bei Google, also muss ich die Werbungen anpassen. Sind sie in meinem Shop und finden vor lauter Angebote die nachhaltigen Produkt nicht, dann eben den erwähnten Filter?

Oder ist beim Versand möchte ich einen nachhaltigen Versand, möchte ich CO2 kompensieren, dann habe ich an der Stelle Kommunikationsbedarf. Aber natürlich das Zünglein an der Waage muss stimmen. Man muss nicht zu viel kommunizieren, nicht zu wenig. Man muss schon ein bisschen den Kunden kennen und wissen wann ist der richtige Punkt, um zu punkten.

Aileen Zumstein: Gibt es schöne Beispiele, Best Practices in diesem Zusammenhang zu nennen?

Michael Nussbaumer: Ja, in der Schweiz gibt es ein paar schöne Beispiele. Kickbag ist zum Beispiel ein sehr schönes Beispiel. Das ist eine Versandtasche. Du bekommst dein Produkt nach Hause geschickt, du packst es aus, die Versandtasche kannst du zusammenfalten, Kleber darauf in den Briefkasten werfen bei der Post und sie geht zurück und sie wird wieder verwendet.

Ein anderes Beispiel ist Microspot/Interdiscount. Die haben eine Verpackungsanlage, die passt die Verpackung um das Produkt auf die Grösse des Produktes an. Das heisst du hast weniger Füllmaterial, du hast weniger Volumen, sprich auch der Lastwagen oder das Postfahrzeug kann besser beladen werden.

Ein anderes Beispiel sind auch zum Beispiel Gebana, die schon bei der Produkt-Herstellung oder -Gewinnung ansetzen. Also die ganze Wertschöpfungskette eigentlich auf das anpassen. Oder was man auch oft sieht ist natürlich die Logistik, wie wird das Produkt ausgeliefert über den Mailkurier oder Möglichkeiten CO2 zu kompensieren, wie zum Beispiel bei Digitec.

Aileen Zumstein: Vielen Dank Thomas und Michael für diese Insights. Gerne könnt ihr den Talk bewerten. Ich bedanke mich für euer Interesse. Aileen Zumstein für Connecta Talk der Schweizerischen Post und von PostFinance.


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