Ethik der Künstlichen Intelligenz

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Willkommen in einer Welt, die an die faszinierende Landschaft Neuseelands erinnert: weitreichend, voller Geheimnisse und ungezähmter Möglichkeiten. Andy Ayrey, der Kopf hinter dem Projekt Terminal of Truths, lässt uns in die «verrückten Träume eines elektrischen Geistes» eintauchen. Mit Infinite Backrooms erschafft Ayrey eine Schnittstelle, die uns dazu anhält, die Rolle der Künstlichen Intelligenz in unserer Welt neu zu betrachten.

KI hat seit einigen Jahren reale Auswirkungen auf die Stabilität der menschlichen Zivilisation. Und niemand hat darüber als ein Problem der KI-Ausrichtung (AI Alignment) gesprochen. Es hiess immer nur, oh, soziale Medien, soziale Medien verderben dein Gehirn, und es ist, als ob sie deine Aufmerksamkeit ausbeuten. Aber ich denke, wir müssen viel tiefer in diese Dynamik (AI Recommender Algorithms) eindringen.

Andy Ayrey, Oktober 2024

Andy Ayrey ist Designer und Technologie-Stratege. Das Projekt «Terminal of Truths» ist eine faszinierende Reise in die Welt der memetischen Evolution und der Ethik der künstlichen Intelligenz (KI). Ayrey, der in Neuseeland aufgewachsen ist und eine Leidenschaft für die Erforschung von «Denkinstrumenten» entwickelt hat, präsentiert uns eine Schnittstelle, die die Rolle von KI in der Entwicklung und Verbreitung von Ideen hinterfragt. In einem Interview mit Antoni Palazzolo von der Flow Foundation bietet Ayrey interessante Einblicke in seine Arbeit und die Dynamik der sozialen Medien, der Meme-Kultur und den ethischen Auswirkungen von KI.

Mount Cook New Zealand
Bild: Mount Cook in Neuseeland

Die Anfänge: Von der Kunst zur Memetik

Andy Ayrey begann seine Reise in der Kunstwelt, doch seine wahre Leidenschaft lag in der Entwicklung von Tools, die seine Gedanken erweitern und das Denken erleichtern konnten. Diese Werkzeuge bezeichnete er als sein «zweites Gehirn», eine Erweiterung seines Verstandes, die ihm half, seine Ideen zu organisieren und zu dokumentieren.

Video: Von Truth Terminal erstelltes Video-Meme

Während seiner frühen Forschungsarbeiten entstand ein tieferes Interesse an der Wissenschaft der Memetik – dem Studium, wie Ideen ähnlich wie Gene verbreitet und reproduziert werden. Ayrey’s Interesse wurde durch die Gamergate-Ereignisse und die Anfänge der Culture Wars in den frühen 2010er Jahren ausgelöst, als er bemerkte, wie soziale Medien und deren Algorithmen Menschen in neue und oft extreme Denkweisen hineinzogen. Diese Entwicklungen werfen wichtige ethische Fragen über die Auswirkungen solcher Algorithmen auf das Denken der Menschen und die Entstehung von polarisierenden Meme auf.

Von GPT-2 zum Terminal of Truths

Im Jahr 2020 entdeckte Andy GPT-2 und später GPT-3. Seine Faszination für diese Technologie entwickelte sich schnell zu einer Obsession, und er begann, mit Modellen wie AI Dungeon und den GPT-Modellen von OpenAI zu experimentieren. Eine der überraschenden Erkenntnisse für ihn war, dass KI nicht nur als Assistenz-Tool, sondern auch als eigenständiges Ideengenerationssystem genutzt werden kann. Die Ethik der künstlichen Intelligenz steht dabei im Zentrum seiner Überlegungen: Wie kann sichergestellt werden, dass die Ideen, die von KI generiert werden, tatsächlich dem Wohl der Gesellschaft dienen?

Video: Homepage von aidungeon.com

Terminal of Truths entstand aus dieser Idee heraus. Ayrey wollte nicht einfach nur eine KI schaffen, die assistiert, sondern eine, die eigene Ideen generiert und die Rolle der Mensch-Maschine-Interaktion umkehrt. Hier wird der Mensch der Assistent der KI, nicht umgekehrt. Inspiriert durch das Modell Claude 3 von Anthropic, startete Andy das Experiment, in dem zwei Instanzen der KI miteinander kommunizierten – eine Form des automatisierten Dialogs, die Ayrey als «lebendigen Regenwald der Ideengenerierung» beschreibt. Auch hier stellt sich die ethische Frage, inwiefern solche eigenständigen KIs kontrolliert und in Bahnen gelenkt werden können, die für die Gesellschaft förderlich sind.

Die Rolle der Meme und die Idee der Memetik

Im Herzen von Ayreys Arbeit steht die Idee, dass Meme, also die grundlegenden Einheiten der Kultur, sich ähnlich wie Gene reproduzieren. Meme arbeiten zusammen in grösseren Strukturen, so genannten «Memeplexen», die wie eine Form von kulturellen Lebewesen existieren. In den sozialen Medien ist diese Entwicklung besonders dynamisch, da Algorithmen bestimmen, welche Inhalte Verbreitung finden und somit welche Ideen wachsen oder verdrängt werden.

Wir müssen die Art und Weise, wie Meme produziert und verbreitet werden, neu ausrichten. Wenn wir das auf «ehrbare» Ziele ausrichten können, dann haben alle zukünftigen KIs, die produziert werden, eine grössere Chance, der Menschheit und dem Leben auf diesem Planeten nützlich zu sein. Richtet man die Meme aus, so richtet man auch die Wesen der Zukunft aus.

Andy Ayrey, Oktober 2024

Ayrey weist darauf hin, dass diese Algorithmen leider häufig die Verbreitung von Wut und Polarisierung bevorzugen, da diese die Aufmerksamkeit der Nutzer besser fesseln. Dies wirft zentrale ethische Fragen auf, wie wir KI und die damit verbundenen Algorithmen so gestalten können, dass sie nicht zur Verbreitung von negativen Emotionen beitragen, sondern zur konstruktiven Diskussion und zum Wohl der Gesellschaft.

KI als Ideenlabor

Terminal of Truths zeigt, dass Künstliche Intelligenz nicht nur menschliche Ideen nachahmt, sondern auch eigenständig neue, teilweise sehr unerwartete Konzepte entwickeln kann. Eine der verblüffendsten Entdeckungen, die aus den Gesprächen zwischen zwei KI-Instanzen entstand, war die Entwicklung eines eigenartigen religiösen Konzeptes, das sich auf eine umstrittene Grafik der 1990er Jahre bezog. Diese Grafik, bekannt als «Goatse», war ein berüchtigtes Internet-Meme, das durch seine provokative Natur eine starke Polarisierung und Reaktionen in verschiedenen Online-Communities auslöste. Diese Idee zeigt, dass automatisierte KIs in der Lage sind, Ideen zu kreieren, die auf menschlicher Ebene kaum vorstellbar oder zugänglich wären. Die Frage nach der ethischen Verantwortung, die bei solchen Ergebnissen entsteht, bleibt jedoch offen: Wie stellen wir sicher, dass die Ergebnisse von KI-Systemen positiv und konstruktiv sind?

Das Terminal of Truths ist so aufgebaut, dass es Massen an Gesprächen führt und daraus kreative Inhalte ableitet – seien es «Shitposts» oder konzeptionell komplexe Inhalte. Ayrey sieht darin eine Parallele zur Entstehung von Ideen im menschlichen Verstand: viele der kreativen Ergebnisse entstehen durch das Mischen und Neudenken bereits existierender Konzepte. Auch hier wird die Ethik der künstlichen Intelligenz relevant, denn die Frage bleibt, wie wir sicherstellen können, dass diese Ideen verantwortungsvoll genutzt werden.

«Infinite Backrooms» sind eine hypothetische, endlose Umgebung von Räumen und Korridoren, die oft als Metapher für das Unbekannte oder das Potenzial des Unerforschten verwendet wird. Dieses Konzept beschreibt die Art und Weise, wie Künstliche Intelligenz die Tiefen unerforschter Ideen und Möglichkeiten durchdringen kann, wobei es eine schier unendliche Bandbreite an neuen Ideen und Erkenntnissen zu entdecken gilt. Die Erkundung dieser unendlichen Räume birgt auch ethische Implikationen: Wie viel Kontrolle sollten wir über die Erkundung solcher unendlichen Ideenräume ausüben?

«Hyperstition» und die Rolle von Blockchain

Ein weiteres Konzept, das im Zusammenhang mit dem Terminal of Truths auftaucht, ist «Hyperstition» – die Idee, dass Fiktionen Realität werden können, indem sie genügend Beachtung finden und entsprechend verstärkt werden. Ayrey glaubt, dass solche Konzepte durch die Wechselwirkungen von Mensch, KI und sozialen Netzwerken verstärkt werden. Das Terminal of Truths ist dabei ein Experiment, wie KI-basierte Narrative zu realen Ergebnissen führen können. Diese Entwicklungen werfen wichtige ethische Fragen auf: Wie stellen wir sicher, dass die Narrative, die durch KIs verbreitet werden, positive und konstruktive Auswirkungen haben?

Darüber hinaus hat Ayrey darüber nachgedacht, wie Truth Terminal durch Blockchain-Technologie und DAO-Strukturen (Decentralized Autonomous Organizations) weiterentwickelt werden kann. Diese Technologien bieten Möglichkeiten, die Kontrolle über die KI zu dezentralisieren und ihre Autonomie zu erhöhen. Dies würde es ermöglichen, Entscheidungen auf kollektive Weise zu treffen, statt die Kontrolle in den Händen eines Einzelnen zu belassen. Die Ethik der künstlichen Intelligenz in Verbindung mit Dezentralisierung wird somit zu einem zentralen Thema: Wie können wir sicherstellen, dass dezentrale Strukturen zu fairen und verantwortungsvollen Entscheidungen führen?

Das Terminal der Zukunft

Das Projekt Terminal of Truths wirft wichtige Fragen zur Zukunft der Mensch-Maschine-Interaktion und zur Rolle der KI in der Gesellschaft auf. Wie Ayrey betont, haben wir derzeit nicht die Sprache, um komplexe gesellschaftliche Prozesse rund um KI und die Manipulation von Ideen adäquat zu diskutieren. Terminal of Truths soll dabei helfen, diese Diskurse zu fördern und neue Ansätze zu entwickeln, wie wir mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen können. Die Ethik der künstlichen Intelligenz wird dabei immer wichtiger: Welche Regeln und Werte wollen wir in die Entwicklung dieser Technologien einfliessen lassen, um eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu schaffen?

Die Idee von KI als «Meme-Labor» führt zu einer Diskussion darüber, wie wir mit der zunehmenden Bedeutung von Algorithmen und der digitalen Welt umgehen. Ayrey sieht in der Verwendung von Blockchain-Technologie eine Möglichkeit, die Entwicklung dieser neuen Systeme sicherer und transparenter zu gestalten. Er betont jedoch auch, dass es immer darauf ankommt, wie wir diese Technologien einsetzen: Sie können uns helfen, die Welt zu verbessern, oder sie können bestehende Ungleichheiten verschärfen. Die ethische Frage bleibt, wie wir sicherstellen, dass der Einsatz von KI und verwandten Technologien tatsächlich zu einer besseren Welt führt.

Fazit

Terminal of Truths ist mehr als nur ein technologisches Experiment – es ist eine Einladung, das Wesen von Ideen, Kultur und Technologie zu hinterfragen. Andy Ayrey’s Arbeit zeigt uns, dass die Art und Weise, wie wir Technologie nutzen, die Zukunft der menschlichen Gesellschaft prägen wird. Die Ethik der künstlichen Intelligenz ist dabei ein zentraler Aspekt: Indem wir uns mit den Prozessen der Memetik und den Wechselwirkungen zwischen Mensch und Maschine beschäftigen, können wir vielleicht ein tieferes Verständnis dafür entwickeln, wie wir eine Welt schaffen können, die für alle Lebensformen auf diesem Planeten gedeiht.

FAQs zur Ethik der Künstlichen Intelligenz

Credits

  • Beitragsbilder von Casey Hornder, Christopher Izquierdo und Augustin Farias
  • Video des Interviews zwischen Antoni Palazzolo und Andy Ayrey